Mittwoch, 8. Juli 2015

Lech Poznan - Pogon Szczecin

KKS Lech Poznan - Pogon Szczecin 1:0
31.5.15 / Ekstraklasa 2015 Playoffs 35.Spieltag / INEA Stadion / 27 538 Zuschauer

Nun stand das Highlight der Tour an. Mit dem Auto verließen wir das Zentrum und fuhren zum 6 Kilometer außerhalb liegenden Inea Stadion. Knapp 90 Minuten vor Spielbeginn hielt sich das Verkehrschaos noch in Grenzen. So konnten wir den Wagen noch ganz in Ruhe auf einem etwas dubiosen Parkplatz gegenüber den offiziellen Stadionstellplätzen für 10 Zloty unterbringen. .
Nachdem das erledigt war schlenderten wir einmal über die Straße und betraten das Geländer des Inea-Stadions. Dabei handelt es sich um einen, zumindest von außen relativ hässlichen Klotz mit interessanter Dachkonstruktion. Dieses Ungetüm besitzt 42837 Sitzplätze und existiert in dieser Form seit 2010. Die Spielstätte ist Eigentum der Stadt Posen. Seit dem Sommer 2013 ist der polnische Kabelnetzbetreiber Inea im Besitz der Namensrechte. Baubeginn war 1968 aber die Eröffnung fand erst 12 Jahre später statt. Für die EM 2012 wurde das Stadion für ca. 147 Millionen Euro komplett renoviert, auch wenn hier später nur drei Vorrundenspiele angepfiffen wurden (!).
Auf dem Stadiongelände war schon gut was los, ganze Kindergruppen wurden zu ihren Eingänge eskortiert, Hostessen mit sehr kurzen Röcken verteilten Werbeartikel oder machten Umfragen und diverses Touri/Eventfolk kaufte den Fanshop leer. Alles wie in der Bundesliga. Viel zu sehen gab es draußen nicht und so betraten wir nach sehr lockeren Einlasskontrollen die Tribüne. Es bot sich uns eine sterile, aber äußerst saubere und geräumige Betonkulisse mit Werbeständen und reichlich Fressbuden unter den Rängen. Das Innere konnte dann doch noch positiven Eindruck machen. Eine wirklich imposante Erscheinung, diese vier unterschiedlich großen Tribünen mit der halbrunden Dachform. Das hat was. Die Dreirangige Heimkurve hinterm Tor war schon anständig mit Fahnen geschmückt und aus den Boxen wummerten Moderne Beats.
Nach und nach kamen immerhin 27 500 Zuschauer zusammen, welche das vorletzte Playoff-Heimspiel der Meisterschaftsrunde sehen wollten. Der Gästeblock sollte an diesem Abend leider leer bleiben. Die Fanszene von Pogon bekam eine 8 Spiele andauernde Sperre wegen dem Zünden von Pyrotechnik aufgebrummt. Sehr ärgerlich, denn das wäre das sogenannte I-Tüpfelchen gewesen.
Lech Poznan war als Tabellenführer auf Meisterschaftskurs und die unteren beiden Ränge der Heimkurve einheitlich in Blau (oben) und Weiß (unten) sorgten schon vor dem Einlaufen für den ersten Nackenschauer. Über die gesamte Spielzeit wurde ein sehr hohes Niveau mit einer 100%igen Mitmachquote erreicht. Hier zogen alle auf Kommando des Vorsängers mit. Punktgenau schepperten die Gesänge und Schlachtrufe in einer bis dahin nie zuvor erlebten Präzision  und Lautstärke durch das Stadion. Einfach nur krank. Da soll der Philipp Köster mal schön weiter vom dressierten Fanblöcken in Deutschland schwadronieren, was hier abging das war schon militärischer Drill. Fast beängstigend, aber auch total beeindruckend. Mehrfach stiegen auch die anderen Tribünen in das Prozedere ein und sorgten für ein unvergessliches Erlebnis. Zwei absolute Höhepunkte waren die Schalparaden und das brutale Hüpfen mit Rücken zum Spielfeld. Einen ordentlichen Torjubel gab es kurz vor der Halbzeitpause.
Stimmungstechnisch war das quantitativ ganz weit oben auf meiner Liste. Aber die Gesänge und das Rahmenprogramm sind nicht ganz so meins. Ich persönlich stehe mehr auf den italienischen Ultrastil mit viel Fahnen und Chaos, wo jeder in der Kurve noch macht was er will. An diesem Abend war die Heimkurve eine homogene Masse, die fast völlig losgelöst vom Spielgeschehen eine atemberaubende Dauerchoreographie abspulte, dabei aber auch nicht leidenschaftslos wirkte.
Der Schlachtruf Kolejorz bedeutet übrigens so viel wie Eisenbahner und wird gebraucht, weil Lech Poznan früher ein staatlicher Eisenbahn-Verein war. Eine enge Freundschaft gibt es u.a. zu den Fans von Arka Gdynia und Cracovia Krakau, welche auch zu diesem Spiel anreisten. Vor dem Anpfiff und während des Spiels wurde dieses Bündnis auch mit entsprechenden Gesängen bekräftigt. Fahnen anderer Szenen hingen dagegen nicht.
Mir persönlich fehlten noch ein anständiger Gästepöbel, eine Choreo und etwas Pyro zum perfekten Stadionerlebnis, aber man kann halt nicht alles haben. Trotzdem eine neue Erfahrung von Fankultur und sicher nicht die letzte Reise ins östliche Nachbarland.

Die Heimfahrt von läppischen 585 Kilometern gestaltete sich dann gewohnt zäh und kräftezehrend, aber es lohnt sich eben immer wieder.









































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