31.5.15 / Ekstraklasa 2015 Playoffs 35.Spieltag / INEA Stadion / 27 538 Zuschauer
Nun stand das Highlight der Tour an. Mit dem Auto verließen
wir das Zentrum und fuhren zum 6 Kilometer außerhalb liegenden Inea Stadion.
Knapp 90 Minuten vor Spielbeginn hielt sich das Verkehrschaos noch in Grenzen.
So konnten wir den Wagen noch ganz in Ruhe auf einem etwas dubiosen Parkplatz
gegenüber den offiziellen Stadionstellplätzen für 10 Zloty unterbringen. .
Nachdem das erledigt war schlenderten wir einmal über die
Straße und betraten das Geländer des Inea-Stadions. Dabei handelt es sich um
einen, zumindest von außen relativ hässlichen Klotz mit interessanter
Dachkonstruktion. Dieses Ungetüm besitzt 42837 Sitzplätze und existiert in
dieser Form seit 2010. Die Spielstätte ist Eigentum der Stadt Posen. Seit dem
Sommer 2013 ist der polnische Kabelnetzbetreiber Inea im Besitz der
Namensrechte. Baubeginn war 1968 aber die Eröffnung fand erst 12 Jahre später
statt. Für die EM 2012 wurde das Stadion für ca. 147 Millionen Euro komplett
renoviert, auch wenn hier später nur drei Vorrundenspiele angepfiffen wurden
(!).
Auf dem Stadiongelände war schon gut was los, ganze
Kindergruppen wurden zu ihren Eingänge eskortiert, Hostessen mit sehr kurzen
Röcken verteilten Werbeartikel oder machten Umfragen und diverses
Touri/Eventfolk kaufte den Fanshop leer. Alles wie in der Bundesliga. Viel zu
sehen gab es draußen nicht und so betraten wir nach sehr lockeren
Einlasskontrollen die Tribüne. Es bot sich uns eine sterile, aber äußerst
saubere und geräumige Betonkulisse mit Werbeständen und reichlich Fressbuden
unter den Rängen. Das Innere konnte dann doch noch positiven Eindruck machen.
Eine wirklich imposante Erscheinung, diese vier unterschiedlich großen Tribünen
mit der halbrunden Dachform. Das hat was. Die Dreirangige Heimkurve hinterm Tor
war schon anständig mit Fahnen geschmückt und aus den Boxen wummerten Moderne
Beats.
Nach und nach kamen immerhin 27 500 Zuschauer zusammen,
welche das vorletzte Playoff-Heimspiel der Meisterschaftsrunde sehen wollten.
Der Gästeblock sollte an diesem Abend leider leer bleiben. Die Fanszene von
Pogon bekam eine 8 Spiele andauernde Sperre wegen dem Zünden von Pyrotechnik
aufgebrummt. Sehr ärgerlich, denn das wäre das sogenannte I-Tüpfelchen gewesen.
Lech Poznan war als Tabellenführer auf Meisterschaftskurs
und die unteren beiden Ränge der Heimkurve einheitlich in Blau (oben) und Weiß
(unten) sorgten schon vor dem Einlaufen für den ersten Nackenschauer. Über die
gesamte Spielzeit wurde ein sehr hohes Niveau mit einer 100%igen Mitmachquote
erreicht. Hier zogen alle auf Kommando des Vorsängers mit. Punktgenau
schepperten die Gesänge und Schlachtrufe in einer bis dahin nie zuvor erlebten
Präzision und Lautstärke durch das Stadion.
Einfach nur krank. Da soll der Philipp Köster mal schön weiter vom dressierten
Fanblöcken in Deutschland schwadronieren, was hier abging das war schon
militärischer Drill. Fast beängstigend, aber auch total beeindruckend. Mehrfach
stiegen auch die anderen Tribünen in das Prozedere ein und sorgten für ein
unvergessliches Erlebnis. Zwei absolute Höhepunkte waren die Schalparaden und
das brutale Hüpfen mit Rücken zum Spielfeld. Einen ordentlichen Torjubel gab es
kurz vor der Halbzeitpause.
Stimmungstechnisch war das quantitativ ganz weit oben auf
meiner Liste. Aber die Gesänge und das Rahmenprogramm sind nicht ganz so meins.
Ich persönlich stehe mehr auf den italienischen Ultrastil mit viel Fahnen und
Chaos, wo jeder in der Kurve noch macht was er will. An diesem Abend war die
Heimkurve eine homogene Masse, die fast völlig losgelöst vom Spielgeschehen
eine atemberaubende Dauerchoreographie abspulte, dabei aber auch nicht
leidenschaftslos wirkte.
Der Schlachtruf Kolejorz bedeutet übrigens so viel wie
Eisenbahner und wird gebraucht, weil Lech Poznan früher ein staatlicher
Eisenbahn-Verein war. Eine enge Freundschaft gibt es u.a. zu den Fans von Arka
Gdynia und Cracovia Krakau, welche auch zu diesem Spiel anreisten. Vor dem
Anpfiff und während des Spiels wurde dieses Bündnis auch mit entsprechenden Gesängen
bekräftigt. Fahnen anderer Szenen hingen dagegen nicht.
Mir persönlich fehlten noch ein anständiger Gästepöbel, eine
Choreo und etwas Pyro zum perfekten Stadionerlebnis, aber man kann halt nicht
alles haben. Trotzdem eine neue Erfahrung von Fankultur und sicher nicht die
letzte Reise ins östliche Nachbarland.
Die Heimfahrt von läppischen 585 Kilometern gestaltete sich
dann gewohnt zäh und kräftezehrend, aber es lohnt sich eben immer wieder.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen