16.1.16 / Serie A 20.Spieltag / San Paolo / 40 047 Zuschauer
Sobald wir die Autobahn Richtung Napoli Fuorigrotta
verließen nahm der Verkehr wieder zu. Mitten in der rollenden Blechlawine
standen Schalverkäufer und versuchten ihre Ware an den Mann oder die Frau zu
bringen. Einer von diesen Wahnsinnigen wurde neben uns um Haaresbreite von
einem Roller umgenietet. In einer Unterführung entdeckten wir dann ein
Parkplatzschild. Direkt am Eingang zur Curva A konnten wir problemlos für 10
Euro den Wagen abstellen. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber sicher nicht damit. Aber rund um das San Paolo
liefen überall irgendwelche Typen rum und wiesen den vorbeifahrenden Autos freie
Parkflächen zu. Der Verkehr wurde schon an einer Ampelkreuzung vor der
Bahnstation Campi Flegrei entsprechend eingewiesen. Eigentlich eine super
Geschäftsidee. Die Parkplätze gehören der Stadt und hier machen zwielichtige
Gruppen jeden Tag ordentlich Kasse. Selbst in dem Fall, dass man selber eine
der wenigen freien Parklücken findet, kommt immer jemand herbeigeeilt der
abkassieren will. Besser man bezahlt den Obolus sonst kann es schnell passieren
das etwas am Wagen kaputt geht. Kevin erzählte eine entsprechende Geschichte
aus Rom.
Während die Hallenser sich noch mit Tickets versorgen
mussten, gingen wir auf Nahrungssuche und versuchten irgendwie herauszubekommen,
wann der letzte Zug zur Piazza Garibaldi fuhr. Letzteres stellte sich als
äußerst schwierig heraus. Im Internet fanden wir noch einen letzten Zug um
22:30 Uhr und da wir wenig Lust hatten die knapp acht Kilometer durch Napoli zu
laufen, war klar, dass wir das Spiel nicht bis zum Ende sehen konnten. Auf dem
Vorplatz versuchten top seriöse Geschäftsleute Tickets zu verkaufen. Ich frage
mich immer welcher Idiot da zuschlägt. Die Karten sind schließlich
personalisiert.
Vorm Eingang liefen noch Typen rum, welche Luftballons in
den Vereinsfarben verkauften. Angeblich für eine Choreo- ja ne ist klar. Hier versucht wirklich jeder mit irgendwas ein paar Euro zu machen.
Hinterm Drehkreuz standen Bullen und zogen einzelne Leute
zur Kontrolle heraus. Einer der Zivis durchsuchte mich dann auch etwas
gründlicher. Unser Block im Oberrang der Distinti neben der Curva A war
brechend voll. An Sitzplatznummer hält sich hier kein Mensch und so mussten wir etwas
suchen, bis wir zwei Plätze fanden. Die Sicht war nicht
optimal, aber bei den eher spärlich beleuchteten Tribünen ist das Filmen und
Fotografieren ohnehin nicht so einfach. Etwas über 40 000 Menschen wollten das
Match gegen den kleinen Verein aus Emilia Romagna (Provinz Modena) sehen. Napoli spielt
diese Saison wieder ganz oben mit und wurde mit Abschluss des 21.Spieltages vor
Juve sogar Tabellenführer. Ein paar wenige Gäste waren auch unten im unsagbaren
Gästeblock auszumachen. Ist schon eine Sauerei die Gäste in der letzten Ecke im Unterrang einzupferchen. Sicht aufs Spielfeld durch die ganze Gitter und Netze dürfte gegen Null gehen.
Die spielerische Darbietung wusste im Gegensatz zum Derby in
Avellino durchaus zu gefallen und so war das insgesamt eine kurzweilige
Veranstaltung. Bereits in der zweiten Spielminute gab es Strafstoß für Sassuolo, welcher sicher zur frühen Führung verwandelt wurde. Eine gute Viertelstunde später gelang den Hausherren der Ausgleich und kurz vor der Pause der verdiente
Führungstreffer. Die Stimmung empfand ich als eher mäßig. Das habe ich im San
Paolo wirklich schon besser gesehen. Zum Einlaufen gab es auf drei
Spruchbändern motivierende Worte an die Mannschaft aus der Curva A. Mittig über
dem Banner vorm Block hing eine kleine Fahne „Ultras BVB“. Eine große
Ehre für die Abordnung aus Dortmund ihren Fetzen vor diese mächtige Kurve hängen zu dürfen. Die Kontakte nach Neapel kamen über die Freundschaft Dortmunder Ultras zu den Gruppen von Catania Calcio zustande welche wiederum mit Napoli befreundet sind.
Vorwärts Jungs- Wir glauben an Euch! |
Vereinzelt leuchtete auch mal ein Bengalo auf. Dazu gab es
Fahnen und Doppelhalter. Neben uns auf der Distinti stand eine kleine
Ultragruppe ohne Material und stimmte verschiedene Lieder an. Weiter zur Curva
B hin gab es weitere Supporter- Grüppchen, welche sich gelegentlich bemerkbar
machten und ein paar Fahnen im Betrieb hatten. Von den Ultras Napoli und Fedayn bekamen
wir aufgrund der großen Entfernung lediglich etwas Bewegung und Melodiefetzen mit.
Vor der Curva hängt immer noch das "Al di la del Resultati"- Banner (Die hinter dem Ergebnis stehen) und der große
Schwenker mit dem Maradonas-Konterfeit existiert natürlich auch noch.
Die Gruppen der Curva A hatten wie bereits erwähnt sicher
nicht ihren besten Tag. Trotzdem ist diese Kurve allein schon wegen ihrem
eigenen Stil, ihrer Mentalität und Konsequenz respekteinflössend. Der
Italienexperte Josef Gruber stellte in einem seiner Berichte fest: „Mehr Ultra
als Napoli geht nicht!“ Es ist immer wieder eine Bereicherung
diese gewaltige Szene zu beobachten, über deren Strukturen und Internas so gut
wie nichts nach außen dringt. Alles ist irgendwie mysteriös und faszinierend.
Auch das Stadion mitten im Wohngebiet des Stadtteils
Fuorigrotta ist einen Besuch wert. Die Einweihung dieses Fußballtempels fand
1959 mit einem Spiel gegen Erzrivale Juventus Turin statt. Um den Namen gab es
längere Zeit leidenschaftlichen Streit bis sich die Kirche zu Wort meldete und mahnte, am Standort
Fuorigrotta habe der Apostel Paulus zum ersten Mal italienischen Boden betreten.
Das Stadion wurde also zum San Paolo.
„Der Ausbau durch
einen dritten Rang sollte das Fassungsvermögen erhöhen, das Areal wurde bald
gesperrt: Der hüpfende Torjubel der Tifosi verbreitete immense Vibrationen, die
durch die Stützpfeiler bis in die angrenzenden Häuser zogen und dort Risse in
den Wänden von Wohnungen verursachten.
Die Restrukturierung
zur Weltmeisterschaft 1990 lief ähnlich schräg. Fehlende Abflüsse oder
toxisches Baumaterial im Bereich ums Stadion führten 1991 zu einer Untersuchung
der Staatsanwaltschaft. Der Prozess um Korruption und Betrügereien involvierte
eine Reihe von prominenten Persönlichkeiten.“
(Aus „Eines Tages im Mai“ von Oliver Birkner)
Aktuell liegt das Fassungsvermögen bei 60 200 Plätzen. Damit
ist diese heruntergekommene Spielstätte nach dem Stadio Olimpico in Rom und dem Giuseppe Meazza in Mailand die drittgrößte Italiens.
Etwa eine Viertelstunde vor Spielschluss machten wir uns auf
zur Stazione, um unseren Zug noch zu bekommen. Rund ums Stadion war wenig los.
Etwa in Höhe der Universität bekam ein Verkaufstand für Getränke und sonstigen Kram Besuch von einer aufgebrachten Rollerbesatzung. Der Fahrer trug einen Helm und war
maskiert. Der Hintermann sprang vom Roller, zog eine Schusswaffe und
bedrohte Wort- und Gestenreich die Männer hinter dem Stand, welche erstaunlicherweise
völlig ruhig blieben. Über den Hintergrund kann natürlich nur spekuliert
werden. Es ist aber auch kein wirkliches Geheimnis, dass sowohl Parkplätze, als auch
Verkaufsstände der Camorra gehören und man für seinen Verkaufsstand an die
entsprechenden Leute zu zahlen hat.
Die ganze Szene spielte sich direkt vor uns ab. Wir
behielten die Nerven und gingen einfach weiter. Irgendwie erwartete ich noch
einen Knall zu hören, es blieb aber glücklicherweise bei der Bedrohung. Die
beiden Rollerfahrer brausten davon und warfen noch etwas in die Büsche. Da ging uns ganz schön der Stift.
Am Bahnhof wusste wirklich niemand so richtig wann und von
welchem Gleis der Zug fahren sollte. Alle Anzeigen waren ausgeschaltet. Ein besoffener Typ wollte uns unbedingt in
ein Gespräch verwickeln und ging uns dabei ordentlich auf die ohnehin schon
leicht strapazierten Nerven. „Napoli ist Kacka!“ ließ er noch verlauten kurz
bevor er den Bahnsteig vollkotzte.
Irgendwann waren wir dann endlich im Zug, welcher noch eine
halbe Stunde herumstand bis er voll war. Ärgerlich, denn so hätten wir noch bis
zum Spielende bleiben können und den Siegtreffer in der 90. Minute zum 3:1
gesehen. Ein Vater mit seinem etwa
5jährigen Sohn hing sich noch an uns dran, denn die Leute im Zug waren ihm wohl
irgendwie nicht so richtig geheuer…müssen wohl sehr seriös gewirkt haben.
"Romanista sind die ersten auf unserer Liste- Ciro lebt!"
Der 30jährige SSC Napoli Tifosi Ciro Esposito starb sieben Wochen nach
dem italienischen Cupfinale, gegen AC Fiorentina am 3.Mai 2014 in Rom an schweren inneren Verletzungen. Vor dem Match gab es schwere Ausschreitungen. Ein polizeibekannter Ultra der Roma Kurve wird beschuldigt auf Napoli- Fans geschossen zu haben.
Dazu ein Link zu Stellungnahme Curva Sud AS Roma
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