13.8.14 / Allsvenskan 19.Spieltag / Friends Arena / 28 240 Zuschauer
Derby in Stockholm
Stockholm ist nicht nur die Hauptstadt Schwedens, sondern kann auch gut
und gerne als die Fußballhauptstadt Skandinaviens bezeichnet werden. Beheimatet
sind hier die drei großen Vereine Hammarby IF, Djurgardens IF und AIK Solna.
Alle drei verbindet eine ausgeprägte Rivalität, eine lange traditionsreiche
Geschichte und große, fanatische Anhängerschaften. AIK und Djurgarden sind die
beiden erfolgreicheren Clubs, wobei AIK auch über die meisten Mitglieder und die
größten Fan- und Ultragruppen verfügt. Hammarby spielt seit 2009 in der zweiten
Liga ist aber aus Fansicht nicht weniger interessant.
Nun stand an einem Mittwochabend das Derby AIK Solna gegen Djurgardens
IF an. Die Gastgeber kämpfen derzeit noch um den Meistertitel. Knapp 30 000 Zuschauer
wollten dieses spannende Match in der modernen Friends Arena im Norden von
Stockholm im Stadtteil Solna sehen. Die aktiven Szenen erreichten in beeindruckender Mobstärke, größtenteils mit
Vorortzügen aber auch mit Bussen den Bahnhof Solna. Die wenigen Polizeikräfte
wirkten dabei äußerst angespannt und etwas überfordert. Eine richtige
Fantrennung war nicht gegeben. Bis auf kleinere Scharmützel und einige
Böllerdetonationen blieb es aber vor dem Spiel ruhig.
Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff zeigte sich die Heimseite mit den
Gruppen Ultras Nord, Sol Invictus und Black Army (größter Fan- und
Supportersclub) auf der prächtig geschmückten Nordtribüne in Bestform. Laute
Gesänge und erste Fackeln sorgten für ein gewisses Kribbeln im Bauch und
steigerten die Vorfreude.
Auf der anderen Seite kamen die Gästefans unter der Führung des Ultra Chaos
Stockholm und des großen Fanclubs Järnkaminera erst recht spät in den Block.
Einige verteilten sich vermummt mit schwarzen Sturmhauben an den äußeren
Tribünenrändern. Etwa zeitgleich provozierte eine Gruppe Hooligans von AIK auf
der benachbarten Tribüne. Die Gegenseite im Gästeblock ließ sich nicht lange
bitten. Ein Teil des Trennzaunes wurde nieder gerissen. Der Präsident von AIK
stürmte die Tribüne und versuchte mit vollem Körpereinsatz die Hooligans seines
Vereines zurück zu halten. Die Tumulte setzten sich jedoch fort, als vom
Gästeblock eine Rauchdose geflogen kam. Nun wurden neben anderen Wurfgeschossen
schließlich auch ein paar Sitzschalen geschleudert. Zu einem direkten
Schlagabtausch kam es aufgrund der räumlichen Trennung jedoch nicht.
Zum Intro gab es auf beiden Seiten Choreographien. Die Nordtribüne wurde
im Unterrang in ein Schwarzgelbes Fahnenmeer verwandelt, oben rundeten Bänder
und Pappen ein absolut gelungenes Gesamtbild ab. Dazu prangte oben der Spruch
„Nord Tribüne“ und unten vorm Block „Für ewig treu“. Anschließend gab es eine
Menge an Fackeln, Blinkern und schwarzem und gelbem Rauch. Unfassbar was hier
alles hochgejagt wurde.
Bei den Gästen gab es ein Pappenmuster in Vereinsfarben und eine
Blockfahne in der Mitte. Spruchbanner vorm Block mit der Aufschrift „Stärke in
unseren Farben“ und durchgehend am Oberrang „Djurgarden Stockholm“, dienten als
Rahmen. Rechts und links davon wurde nun ordentlich gezündet. Rauch in den
Farben blau und gelb sowie rot leuchtende Fackeln.
Die Rauchentwicklung auf beiden Seiten war nun so heftig, dass man kaum
noch zehn Meter weit sehen konnte. Ordner liefen hektisch mit Atemschutzmasken
herum und der Schiedsrichter schickte die Mannschaften zunächst wieder in die
Kabine.
Mit etwa 20 Minütiger Verspätung wurde das Spiel angepfiffen. Die
Nordtribüne hatte nun ganz starke Momente. In beachtlicher Lautstärke wurde ein
melodisches Lied mit Wechselgesang zum Besten gegeben. Dabei drehte fast das
ganze Stadion ab. Immer wieder wurden dazu Fackeln angerissen. Eine dermaßen
intensive erste Viertelstunde, wie ich sie schon lange in keinem Stadion mehr erlebt
habe. Einfach überwältigend. Dazu gab es das gesamte Spiel über geschlossenen
Support mit hoher Beteiligung und permanenten Einsatz von Fahnen und
Pyrotechnik.
Aber auch die gut 7000 Gäste hatten einiges zu bieten, vor allem in der
zweiten Halbzeit. Diese wurde durch eine ganz besondere Pyroshow eingeläutet.
Mittels zahlreicher Bengalos wurde ein brennendes D I F auf die Tribüne
gezaubert. Bei der ganzen Fackelei gab es übrigens kein Pfeiffkonzert. Die
normalen Zuschauer feierten diesen Exzess regelrecht ab. Um mich herum waren
alle voll bei der Sache, stimmten in die Gesänge mit ein, standen immer wieder
auf, lagen sich beim orkanartigen Torjubel zur Führung von AIK in den Armen und
beschimpften voller Inbrunst den Gegner. Einen denkwürdigen Moment gab es in
der 27. Spielminute als das gesamte Stadion aufstand und lautstrak dem 2013
verstorbenen Kapitän und Keeper von AIK gedachte (trug die Rückennummer 27). Es
gab extrem laute Wechselgesänge auf den Namen IVAN TURINA. Da musste man
einfach eine Gänsehaut bekommen. Für die Fanszene gilt Ivan Turina als absolute
Identifikationsfigur. Es gab gleich mehrere Zaunfahnen mit seinem Namen und
Konterfei auf der Nordtribüne.
Knapp sechs Minuten nach der Führung der Gastgeber, die Heimkurve stand
noch lichterloh in Flammen, fiel der Ausgleich durch ein Eigentor. Nun drehte
die Gästetribüne vollkommen durch. Im Schein weiterer Fackeln wurde eine nahezu
100%ige Mitmachquote bei brachialen Gesängen und Klatscheinlagen erreicht.
Richtig pervers, wie hier die restliche Spielzeit supportert wurde. Kurz vor
dem Abpfiff stürzte einer der DIF- Vorsänger ein paar Meter vom Podest, riss
noch zwei Leute mit und landete hinterm Tor im Innenraum. Schließlich wurde er
vom Rettungsdienst abtransportiert. Das Spiel geriet bei dem Spektakel auf den
Rängen zur Nebensache und endete ohne Sieger.
Das Derby in Stockholm konnte vollends überzeugen. Lautstärke, Choreos,
Hass und den heftigsten Pyroekzess den ich je gesehen habe machen dieses Spiel
zu einem der wohl spannendsten und lohnenswertesten Derbys in ganz Europa.
Ultraszene von AIK am Bahnhof Solna |
Bereits eine halbe Stunde vor dem Anpfiff sorgen die aktiven Gruppen für Derbyfeeling |
In den ersten Reihen haben sich zahlreiche Supporter vermummt. |
Auch im Gästeblock viele vermummte Ultras |
Kurz vor dem Anpfiff provozieren einige Hools von AIK im Nebenblock zu den Gästen. |
Die lassen sich nicht lange bitten und reißen einen Trennzaun nieder. Bierbecher und Sitzschalen, sowie eine Rauchdose fliegen. |
Der Präsident von AIK stürmt auf die Tribüne und versucht aktiv die Hooligans seines Vereins zur Ruhe zu bringen. Aufgrund der räumlichen Distanz kommt es im Stadion zu keinem Schlagabtausch. |
Beeindruckende Choreographie |
Auch die Djurgardens Supporter zeigen eine großangelegte Choreo. |
Vermummte Ultras im Gästeblock formieren sich in den Buchstaben DIF |
Die Buchstaben DIF mittels Bengalos dargestellt als Intro zur zweiten Halbzeit |
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